Geero-Gründer Thomas Rath privat

Geero-Gründer Thomas Rath privat

Mobiler Grenzgänger

Zigtausende Kilometer durch ganz Vietnam und China mit einem mittelalterlich anmutenden Motorrad, monatelang Surfen auf Hawaii, Backpacking durch Thailand, Malaysia, Singapur, Kambodscha und Indien, Bau eines Skate Resorts auf den Philippinen – Geero-Gründer Thomas Rath scheut weder privat noch beruflich (Grenz-)Erfahrungen und damit Chancen, um zu lernen. Mit 12 Jahren entdeckte er seine Liebe fürs Skateboarding und betrieb es jahrelang auf internationalem Wettbewerbsniveau. Eine Zeit, in der Thomas gelernt hat, sich Träume und Visionen zu schaffen und auch zu erfüllen.

„Geht nicht gibt’s nicht“-Mentalität

Mit 18 startete er sein erstes Business mit Erspartem aus Ferialjobs und traf den Nerv der Zeit: Pocket Bikes aus China, die gerade zum Hype avancierten, und Thomas war der erste in Österreich, der die enorme Nachfrage bedienen konnte. Dafür musste er einen ganzen Container aus Asien importieren, da der Kauf mit der Auflage einer Mindestabnahme von 200 Pocket Bikes reglementiert war. Trotzdem waren die Mini-Motorräder innerhalb von zwei Wochen durch reine Mundpropaganda ausverkauft. Das Designen und Bauen von Modellflugzeugen folgte, und damit auch der eigenständige Vertrieb dafür auf der damals gerade im groß werden begriffenen E-Commerce-Plattform E-Bay. Neben weiteren Geschäftsideen standen Weiterbildungen und Reisen am Dauer-Programm.

Mit 24 Jahren wagte Thomas schließlich den beruflichen Sprung nach Asien und baute sich zehn Jahre lang nach dem Trial-and-Error-Prinzip erfolgreich sein Ingenieurbüro in Shanghai auf. 2011 schloss er sich mit seinem Bruder Michael zusammen und etablierte weitere Firmen im Mikromobilitätsbereich. 2016 revolutionierte das brüderliche Duo mit seinen Geero E-Bikes die Elektrofahrrad-Branche.

Viel gewagt und viel erreicht, aber wie tickt und denkt Thomas Rath? Das liest du im Interview!

Du hast in deinem Leben schon vieles gemacht und ausprobiert. Was treibt dich an?

Thomas Rath: Ich bin einfach immer meinem Herzen gefolgt. Ich habe Bereiche gefunden, die mich faszinieren, und denen bin ich nachgegangen. Ich liebe Projekte, die auch völlig unterschiedlich sein können. Das Geero E-Bike ist nur ein Beispiel. Es beginnt mit einer Idee, du visualisierst sie im Kopf, dann arbeitest du daran, zwei Jahre oder länger, und Schritt für Schritt entsteht das Produkt und du kannst es immer mehr angreifen und fühlen. Irgendwann sitzt du drauf und fährst damit. Dann siehst du viele Leute auf der Straße, die es nutzen. Das ist so ein unbeschreibliches Gefühl – Denn das hast du geschaffen, von Anfang bis Ende. Und dass andere Menschen nicht nur einen Nutzen davon haben, sondern sich auch daran erfreuen, ist ein Multiplikator obendrauf.
Also Projekte beziehungsweise etwas zu kreieren und zu bauen, ist ein wunderschöner, erfüllender Prozess für mich und das treibt mich an.

Worin bestand für dich die Faszination, Elektrofahrräder zu entwickeln?

Thomas: Mir geht es in erster Linie um den Prozess, also den Weg von der Idee bis zum Ziel. Ich hätte statt dem E-Bike auch ein anderes Produkt im Bereich der Mikromobilität entwickeln können. In der Mikromobilität sehe ich enorm viel Potential für die kommende Mobilitätswende und werde mich sicher noch eine geraume Zeit in diesem Bereich bewegen. Aber es macht mir keinen Spaß, alleine an Projekten zu arbeiten. Ich genieße es, gleichgesinnte Menschen um mich zu haben und gemeinsam etwas umzusetzen. Wie jetzt mit dem Geero-Team, wo ich von so vielen interessanten Menschen umgeben bin. Mit denen ich gut zusammenarbeiten kann und gemeinsam diesen Weg gehe, die mich bereichern und wo ich von jedem einzelnen etwas lernen kann. Dieser gesamte Prozess ist für mich das Schönste.

Du bist viel gereist. Wie haben dich deine vielen Auslandsaufenthalte geprägt?

Thomas: Man muss für sich herausfinden, was man im Leben will. Mein Anspruch war immer, dass ich ein glücklicher Mensch sein will. Und dazu gehört für mich einfach auch eine gewisse Wertschätzung gegenüber Personen und Dingen. Bei meinen Reisen war ich nie als Tourist unterwegs, sondern habe überall mit den Locals gelebt, war oft auch in Familien vor Ort integriert. Mit ihnen gegessen, Zeit verbracht und alles. Ich war mit verschiedenen Kulturen, Religionen, politischen und gesellschaftlichen Einstellungen konfrontiert. Ich habe dadurch vieles in Frage gestellt: Wie passt das alles zusammen mit dem, wie ich aufgewachsen bin? Mit den Einstellungen, Normen und Werten, die ich vermittelt bekommen habe? Das hat mich zum Umdenken bewegt und es hat lange Zeit gebraucht, das alles verstehen zu lernen. Wir tragen alle individuell gefärbte Brillen namens „Kultur“, „Politik“, „Religion“ und dergleichen, damit kreieren wir Erwartungshaltungen und gesellschaftliche Muster, bis hin zu Spannungen. Aber im Endeffekt ist es egal, woher jemand kommt, woran er glaubt und alle diese Dinge. Es geht um die Menschen selbst. Ob sie ein gutes Herz haben und andere gut behandeln.

Was waren die wichtigsten Inputs, die du für dich mitgenommen hast?

Thomas: In Asien habe ich zum Beispiel zwei Jahre lang sehr einfach gelebt. Ich bin auch ein einfacher Mensch, ich brauche nicht viel. Das war außerhalb von Shanghai, im Industriegebiet, und ich habe mich dort einfach nach den anderen gerichtet. Das heißt, ich habe bewusst zwei Jahre lang kein warmes Wasser gehabt und keine Heizung (die hast du dort sowieso nicht). Im Winter herrschen dort aber fünf Grad und die Gebäude sind nicht isoliert, es zieht durch. Aber die Leute leben dort einfach so. Das war eine der interessantesten Erfahrungen überhaupt. Wir sind das in Mitteleuropa anders gewohnt – wir haben Heizung, sogar oft eine Fußbodenheizung, wir haben Badewannen mit warmen Wasser und so weiter. Aber das ist für uns hier nichts Besonderes, sondern selbstverständlich. Wir haben all diesen Komfort und viele Menschen sind trotzdem sehr unglücklich. Wenn du an einem Ort lebst, wo du diese ganzen Annehmlichkeiten nicht hast, und dann kommst du wieder nach Hause, siehst du, wie gut es uns hier geht. Dafür braucht es auch diese Wertschätzung für einfache Dinge, die einen aber auch glücklich machen.

Du hast über zehn Jahre in Shanghai gelebt und gearbeitet. Wie kam es dazu, das Geero E-Bike so lokal wie möglich in der Steiermark zu produzieren? Also regional statt international zu agieren?

Thomas: Es geht mir eben um diese Wertschätzung. Manche Dinge sind einem im Vorfeld nicht so bewusst, dann bereist du andere Länder, machst deine Erfahrungen und sammelst viele verschiedene Eindrücke. Und das verändert deine Blickwinkel und Sichtweisen. Ich bin zum Beispiel ein Mensch, der gerne in der Natur ist. Als ich in China gelebt habe, waren sie noch nicht so strikt mit Maßnahmen für den Umweltschutz wie heute. Als ich dort war, habe ich nie Wolken gesehen, blauen Himmel oder Sonne. Nur Smog. Das war unglaublich. Und dann kommst du wieder nach Österreich und siehst, wie schön wirs hier haben. Dann entwickelst du diese Wertschätzung für all das.
Auch das Zwischenmenschliche ist mir irrsinnig wichtig. Ich habe in allen Ländern, wo ich gelebt habe, meine Freundeskreise gehabt, tolle Leute. Aber meine Familie und enge Vertraute gingen mir mehr und mehr ab. Und das ist etwas, wodurch du deine Wohlfühlzone „Zuhause“ wieder zu schätzen beginnst. Asien war ein Erlebnis, keine Frage, aber dass ich dort für ewig lebe, konnte ich mir nicht vorstellen. Für mich war klar: Ich will wieder unbedingt heim nach Europa. So habe ich dann begonnen, alles für meine Rückkehr zu planen. Damit ich in Österreich leben und arbeiten kann.

Also ist Heimat für dich ein Ort?

Thomas: Mein Zuhause ist dort, wo ich meine Wohlfühlzone habe. Und das ist für mich meine Familie. Ich reise immer noch viel. Habe dort und da meine Projekte, auf den Philippinen etwa. Aber meinen Hauptlebenspunkt habe ich in Österreich. Ich will hier höchstwahrscheinlich alt werden. Darum habe ich mir mein jetziges Business auch in der Steiermark aufgebaut, wo meine Familie lebt. Also Heimat hat für mich weniger mit einem konkreten Ort, als vielmehr mit Menschen zu tun, die mir in meinem Leben sehr wichtig sind.

Findest du hier Inspiration für deine Projekte?

Thomas: Für meine Inspiration muss ich wieder raus aus meiner Wohlfühlzone. Und ich brauche die Abwechslung auch absolut. Ich bin der Meinung: Wenn du an einem Ort aufwächst und immer dort bist und jeden Tag das gleiche siehst, wie alle anderen – die gleichen Menschen triffst, die gleichen Inputs bekommst, das gleiche miterlebst –, dann wirst du gleich denken, wie alle anderen. Und wenn du dann beispielsweise ein Unternehmen gründest, wird es von einer Idee kommen, wie sie Hunderttausende andere Leute auch haben. Wenn du aber rausgehst in die Welt, in andere Länder, dann siehst du völlig neue Dinge. Du kommst zurück und betrachtest alles mit anderen Augen. Das wirkt sich auch auf deine Ideen aus. Denn wenn diese bekannten und neuen Erfahrungen und Sichtweisen ineinander fließen, entsteht für mich Inspiration.

Du hast Geero gemeinsam mit deinem Bruder gegründet und entwickelt. Was haben sich eure Eltern beruflich für euch vorgestellt?

Thomas: Wir hatten wirklich das Glück, dass unsere Eltern uns Kinder immer unterstützt haben. Sie haben darauf geachtet, dass wir eine gute Bildung bekommen und uns viel Zeit und Liebe geschenkt. Meine Geschwister und ich haben uns aber alles selbst erarbeiten müssen. Das war eine sehr wichtige Lebenslektion. Unsere Eltern haben uns auch nie gesagt, was wir werden sollen, sondern das lag in unserer Entscheidung. Sie haben uns immer vertraut. Als ich zum Beispiel mit 18 Jahren mein erstes Business begonnen habe und meinen ersten Container mit Pocket Bikes aus Asien importieren wollte, bin ich zu meinem Dad und habe ihm davon erzählt. Er hat nur gesagt: Mach’s! Und bei diesem Projekt damals waren noch Risikofaktoren ohne Ende. Was ich da alles noch nicht gewusst habe und was ich falsch machen hätte können. Aber ich habe mich einfach getraut. Stell dir vor, mein Dad hätte gesagt: Bist du verrückt, das ist ja viel zu riskant! Mein ganzes Leben wäre anders verlaufen.

Apropos Risiko: Wenn etwas nicht so funktioniert, wie du dir das vorstellst, oder sich eine Geschäftsidee als Reinfall entpuppt – Wie gehst du damit um?

Thomas: Ich habe genug Fehler gemacht im Leben. Super, zum Glück. Ich bin dankbar für jeden Einzelnen davon. Denn dadurch konnte ich wachsen. Es gibt so bekannte Zitate, die sinngemäß aussagen: Don’t look back, just go on. Diese Einstellung habe ich auch. Wenn etwas passiert, egal, ob beruflich oder privat, verarbeite ich das und denke als erstes: Was kann ich jetzt aus all dem lernen? Was sind die Lektionen, die ich für mich mitnehmen kann? Das tue ich dann auch und nehme positive Erinnerungen an das Geschehene mit. Ich fokussiere mich auf das Jetzt und die Zukunft. Wenn man in der Vergangenheit lebt, kommt man nicht weiter.

Geero hat 2022 unter anderem den Preis für Mut bei den Primus Awards der Kleinen Zeitung gewonnen. Was bedeutet Mut für dich persönlich?

Thomas: Ich habe meine Werte und Visionen, was ich machen möchte im Leben. Wenn ich dabei mit Herausforderungen konfrontiert werde, die mir Angst machen, aber es passt trotzdem in mein Konzept, kann ich nicht Nein sagen. Dann muss ich das machen. Und dafür braucht es Mut, im Kleinen wie im Großen. So sehr ich auch Angst vor gewissen Dingen habe. Aber wenn du dich deinen Ängsten stellst und sie meisterst, dann verschwinden sie. Du wirfst dich quasi selbst ins kalte Wasser, so entwickelst du dich weiter. Und mir ist es sehr wichtig, dass ich mich ständig weiterentwickle.

Stichwort Weiterentwicklung. Ihr tüftelt auch nach wie vor an euren Geero E-Bikes. Was bedeutet Qualität für dich?

Thomas: Ich finde es traurig, welche Bedeutung Massenkonsum in unserer heutigen Gesellschaft zukommt. Wir leben in einer Zeit, in der die Industrie kurzlebige Produkte auf den Markt bringt und mit ihrem Marketing Menschen suggeriert, dass sie damit laufend Glücksgefühle kaufen können und vor allem auch sollen. Man braucht sich zum Beispiel nur Waschmaschinen anschauen. Viele werden im Schnitt nach drei oder vier Jahren kaputt und können nicht mehr repariert werden, weil die Ersatzteile schon nicht mehr verfügbar sind. Mit unserem Wissen, der Ingenieurskunst etwa, könnten wir Waschmaschinen bauen, die theoretisch 100 Jahre lang halten. Was wirklich korrekt und gleichzeitig auch nachhaltig ist, ist Qualität zu kaufen. Also Produkte, die auf Langlebigkeit ausgerichtet sind oder Geschäftskonzepte, die für langfristig ausgelegt sind. Und die Qualität eines Produkts zeigt sich unter anderem darin, dass du es auch nach zehn Jahren noch servicieren kannst, weil du die Ersatzteile dafür noch bekommst. Die erste Generation unserer Geero E-Bikes können wir zum Beispiel noch immer reparieren. Indem du Qualität kaufst, kannst du wirklich etwas bewirken.

Abschließend: Welchen Rat würdest du deinem 18-jährigen Ich geben?

Thomas: Ich würde generell einem jungen Menschen sagen: Hab deine Träume und träume groß. Teile deine Träume in kleinere Einheiten auf, damit sie erreichbar bleiben, und höre nicht auf andere. Glaub an dich selbst und mach’s! Wenn du dich reinhängst, weil du das von ganzem Herzen willst, dann kannst du alles umsetzen. Und das ist wie ein Muster, das prägst du dir ein. Das zieht sich durch dein Leben.

Siehst du das auch als dein Lebensmotto?

Thomas: Mein Lebensmotto ist, dass ich auf dieser Welt bin, um möglichst viel zu erleben und zu lernen. Es gibt so Vieles, was ich noch sehen will, so viele Erfahrungen, die ich noch machen möchte. Das geht sich wahrscheinlich nicht alles aus, aber ich will meine Lebenszeit bestmöglich nutzen.